Die künstliche Intelligenz verändert den Vertrieb grundlegend. Leonard Schmedding, Inhaber von Everlast AI und Betreiber des größten deutschen YouTube-Kanals zum Thema KI im Geschäftskontext, erklärt im Interview mit Tobias Ain vom Sales Podcast, welche konkreten Anwendungsfälle bereits heute funktionieren und warum viele Unternehmen die Revolution verschlafen.
Warum ChatGPT allein keine KI-Strategie ist
"Zu denken, man hat KI, nur weil man ChatGPT nutzt - das ist im besten Fall süß, aber es hat einfach nichts mit echter KI-Integration zu tun", stellt Schmedding klar. Viele deutsche Unternehmen klopfen sich auf die Schulter, weil sie ein ChatGPT-Abo haben. Die entscheidende Frage fehlt jedoch: Wie viel mehr Umsatz generiert das System? Lässt sich der Impact messen? Falls nein, fehlt eine echte KI-Implementierung.
Der Unterschied zwischen gelegentlicher ChatGPT-Nutzung und systematischer KI-Integration zeigt sich in messbaren Geschäftsergebnissen. Echte KI-Lösungen sparen hunderte Arbeitsstunden, steigern Abschlussquoten und reduzieren Kosten - und zwar nachweisbar.
Das größte Problem deutscher Vertriebsteams
Eine Salesforce-Studie belegt: Vertriebsmitarbeiter verbringen maximal 27 Prozent ihrer Zeit in Verkaufsgesprächen. Der Rest? Administrative Tätigkeiten wie Angebotserstellung, CRM-Pflege, E-Mail-Korrespondenz und Controlling.
"Die meisten wollen sofort die 27 Prozent optimieren und den Vertrieb durch Avatare ersetzen. Das ist verloren", erklärt Schmedding. Stattdessen empfiehlt er, zunächst die 73 Prozent Verwaltungsaufwand zu eliminieren. Erst danach macht die Automatisierung von Verkaufsgesprächen Sinn.
Konkrete KI-Anwendungsfälle im Vertrieb
Call-Dokumentation automatisieren
Jedes Verkaufsgespräch sollte dokumentiert, zusammengefasst und im CRM gespeichert werden. Bei Everlast AI läuft dieser Prozess vollautomatisch:
- Zoom-Calls werden automatisch aufgezeichnet
- Transkripte entstehen in Echtzeit
- Informationen werden strukturiert im CRM hinterlegt
- Aufzeichnungen landen im richtigen Ordner
Vertriebsmitarbeiter sparen sich 10 bis 15 Minuten Nachbereitung pro Gespräch. Teamleiter können jederzeit Aufzeichnungen der Woche einsehen. Die Informationen gehen nicht verloren, selbst wenn Mitarbeiter das nachlässige Dokumentieren schleifen lassen.
Sales-Controlling neu gedacht
Traditionelles Vertriebscontrolling bedeutet Excel-Tabellen, manuelle Datenpflege und zeitaufwendige Auswertungen. Schmedding beschreibt das Ziel einer AI-nativen CRM-Lösung: "Ich will Jarvis für Sales - ein System, mit dem ich einfach sprechen kann und das den Rest erledigt."
Die praktische Umsetzung bei Everlast AI:
- Vertriebsmitarbeiter sprechen Zahlen einfach ein
- Das System stellt proaktiv Fragen
- Automatische Dashboard-Erstellung aus den Daten
- Teamleiter können mit dem Dashboard chatten
- KI erkennt Muster und Auffälligkeiten automatisch
Statt manuell Aufzeichnungen zu prüfen, fragt der Vertriebsleiter die KI: "Wer hält sich nicht ans Skript?" oder "Bei wem gibt es Auffälligkeiten in den Wählversuchen?"
Trainings automatisieren
Everlast AI nutzt eine interne Software-Plattform für Verkaufstrainings. Vertriebsmitarbeiter können dort:
- Das Verkaufsskript hinterlegen
- Verschiedene Kundentypen auswählen (nach DISG-Modell: grün, blau, rot, gelb)
- Gespräche mit KI-Persönlichkeiten üben
- Bottlenecks gezielt trainieren
"Wenn jemand Schwierigkeiten mit blauen Kundentypen hat, übt er das über die Plattform. Da muss kein Vertriebstrainer mehr ran", erklärt Schmedding.
Angebotserstellung beschleunigen
Ein Weltmarktführer im Maschinenbau (Name unter NDA) benötigt für komplexe Pumpenanlagen-Angebote normalerweise Wochen. Diese Millionenprojekte erfordern präzise Kalkulationen - ein kleiner Fehler kostet schnell sechsstellige Summen.
Gemeinsam mit Everlast AI automatisiert das Unternehmen die Angebotserstellung über KI. Fast 25 Prozent aller Kundenprojekte bei Everlast AI betreffen automatisierte Angebotsgenerierung - von einfachen Dienstleistungen bis zu komplexen B2B-Industrieprodukten.
Datenschutz: Vorwand statt Einwand
"Datenschutz ist das erste Totschlagargument von Leuten, die keine Lust haben, etwas zu verändern", stellt Schmedding klar. In der Praxis war Datenschutz noch nie ein echtes Problem bei KI-Implementierungen.
Die wahren Gründe hinter Datenschutz-Bedenken:
- Angst vor Veränderung
- Sorge vor Transparenz der eigenen Leistung
- Befürchtung, die KI könnte bessere Ergebnisse liefern
Die Lösung ist einfach: Zu Beginn jedes Calls kurz erwähnen, dass das Gespräch transkribiert wird. Die meisten Kunden freuen sich sogar, weil sie anschließend eine Zusammenfassung erhalten und sich keine Notizen machen müssen.
Voice-AI: Der Game-Changer im Telefonverkauf
Im Juli 2023 veröffentlichte AirAI ein virales Video: Ein KI-Agent führte ein Verkaufsgespräch für einen Tesla Store. Die Qualität war bereits damals beeindruckend.
"Wenn die Qualität 2023 schon so gut war, wird in wenigen Jahren jedes Telefonat und ein Großteil des Sales über Voice Agents stattfinden", prognostiziert Schmedding.
Everlast AI setzte den ersten Voice Agent im Recruiting ein - mit durchschlagendem Erfolg. Innerhalb von Monaten konnten zwei Vollzeit-Recruiting-Mitarbeiter ersetzt werden.
CRM-Systeme: Die alte Welt stirbt
Etablierte CRM-Anbieter wie Salesforce oder HubSpot betreiben Flickschusterei. Sie packen Copilots und Custom GPTs auf veraltete Systeme, ohne grundlegend neu zu denken.
"Ein echtes KI-CRM funktioniert anders", erklärt Schmedding. Das System sollte:
- Automatisch Follow-ups verschicken
- Leads eigenständig anrufen
- E-Mails selbstständig verfassen
- Alle Eintragungen automatisch vornehmen
Die Vision: Vertriebsmitarbeiter sprechen nur noch mit dem System. "Ruf den Kunden an", "Schreib die E-Mail", "Bereite mich auf den Lead vor" - der Rest läuft automatisch.
Klassische Nutzeroberflächen werden zunehmend irrelevant. Stattdessen genügt ein visuelles Dashboard zur Analyse und Spracheingabe für Befehle.
Kundenbetreuung mit KI optimieren
Automatische Zufriedenheitsumfragen
Regelmäßige Kundenbefragungen versanden im Tagesgeschäft. KI löst dieses Problem elegant:
- Monatliche automatische Anrufe oder WhatsApp-Nachrichten
- Skalafragen zur Zufriedenheit (0-10)
- Automatische Auswertung und Weiterleitung
Kunden mit 8-10 Punkten: Meldung an Vertrieb für Upselling-Potenzial Kunden mit 0-3 Punkten: Warnung an Support wegen Kündigungsrisiko
Diese systematische Vorgehensweise funktioniert besonders gut in Branchen mit kleinen Ticketgrößen. Fitnessstudios beispielsweise können sich menschliche Rückrufe bei 40-100 Euro Abogebühren kaum leisten. Voice-AI macht diese Betreuung wirtschaftlich sinnvoll.
KI-Kundenservice am Telefon
Viele Everlast-AI-Kunden setzen bereits Voice Agents im Kundenservice ein. Standard-Anfragen beantwortet die KI selbstständig. Menschliche Mitarbeiter konzentrieren sich auf wertschöpfende Gespräche und Beziehungspflege.
Die unbequeme Wahrheit für Vertriebsmitarbeiter
Bei einem Team-Event stellten Vertriebsmitarbeiter Schmedding die direkte Frage: "Was ist meine Zukunft im Unternehmen? Worauf soll ich mich fokussieren?"
Seine Antwort: "Werde verdammt gut in Calls. Alles andere macht KI."
Selbst Vorgespräche und Vortelefonate werden zunehmend automatisiert. Die einzige verbleibende Kernkompetenz: Exzellenz im einstündigen Beratungsgespräch beim Kunden - persönlich oder per Video-Call.
Was Vertriebsmitarbeiter besser können als KI
Aktuell rechtfertigt vor allem die Kundenakzeptanz noch menschliche Verkäufer. Nicht die technische Qualität ist das Problem - in vielen Bereichen verkaufen KI-Avatare bereits besser als durchschnittliche Vertriebsmitarbeiter.
"Die Technik ist bereit. Kunden müssen erst positive Erfahrungen sammeln, von KI zu kaufen. Dann geht es schneller, als die meisten denken", prognostiziert Schmedding.
Welche Skills bleiben relevant?
- Exzellenz statt Durchschnitt: B-Player, die einfach ihre 40 Stunden abarbeiten, verlieren
- Emotional Selling: Beziehungsaufbau und Empathie bleiben menschliche Stärken
- Kontinuierliches Lernen: Wer nicht ständig an sich arbeitet, wird ersetzt
Der deutsche Durchschnittsvertrieb hat seine besten Tage hinter sich.
Lernen im KI-Zeitalter
"KI demokratisiert das Lernen enorm. Jeder kann alles in Rekordzeit lernen", betont Schmedding.
Notebook LM: Das Geheimnis schnelleren Lernens
Bei Everlast AI arbeitet jeder Vertriebsmitarbeiter mit Notebook LM:
- Alle Schulungen werden gespeichert
- Mitarbeiter chatten mit Schulungsinhalten
- Karteikarten entstehen automatisch
- Individuelles Lernen nach persönlichem Stil
Verschiedene Lerntypen profitieren unterschiedlich:
Visuelle Lerner: KI erstellt Charts und Infografiken Auditive Lerner: Advanced Voice Mode von ChatGPT ermöglicht Lerngespräche Text-Lerner: Strukturierte Zusammenfassungen auf Knopfdruck
Die wichtigste Meta-Skill
Prompting-Engineering ist bereits veraltet. Die entscheidende Fähigkeit: Schnell neue Dinge lernen und die alte Welt hinter sich lassen.
Konkret bedeutet das:
- Alltägliche Workflows hinterfragen
- Routinen radikal verändern
- Neue Tools sofort ausprobieren
Beispiel: Warum noch tippen? Tools wie WhisperFlow oder Voice Ink wandeln Sprache in Text um. Bei Everlast AI tippt kein Vertriebsmitarbeiter mehr - alles läuft über Spracheingabe.
Die beste Bewerberfrage
Schmedding nutzt eine einfache Frage, um Lernfähigkeit zu testen: "Was hast du in den letzten 12 Monaten gelernt, das nicht durch deinen Arbeitgeber vorgeschrieben wurde?"
Diese Frage offenbart:
- Eigeninitiative
- Lernwille
- Zukunftsfähigkeit
Bei Everlast AI stellt sogar der KI-Agent im Vorgespräch diese Frage. Unzureichende Antworten führen zur sofortigen Absage.
Kein Hype - eher Underhype
"KI ist massiv underhyped", konstatiert Schmedding. Während manche von Hype sprechen, zeigt die Realität ein anderes Bild:
Konkrete Beispiele der Disruption
Grafikdesign: Nach dem Google Nano Banana Pro Update kündigte Everlast AI einen langjährigen Freelance-Grafikdesigner. Die KI liefert bessere Ergebnisse.
Vollautomatische Prozesse: Neueste KI-Updates verändern komplette Berufsfelder - nicht in Jahren, sondern jetzt.
Warum KI unterschätzt wird
Schmedding beobachtet einen gefährlichen Trend: Menschen konzentrieren sich auf Fehler statt auf Potenzial. Bei YouTube-Kommentaren zu neuen KI-Tools suchen Nutzer nach Kleinigkeiten, die noch nicht perfekt funktionieren.
"Videografen kommentieren: 'Da ist ein Fehler in der Belichtungsbeschreibung' - statt zu erkennen, dass ihr Berufsfeld gerade fundamental erschüttert wird", kritisiert er.
Die Milliarden-Wette
Schmedding empfiehlt eine gesunde Grundannahme: "Ich bin dümmer als Leute mit hunderten Milliarden auf dem Konto."
Wohin fließen die größten Investitionen?
- Rechenzentren
- Energieinfrastruktur
- KI-Training
- Superintelligenz-Entwicklung
Die erfolgreichsten Menschen der Welt wetten ihr Vermögen auf KI. Wer glaubt, das sei nur ein Hype, sollte sich fragen: Sind wirklich alle diese Investoren dümmer als ich?
Die unbequeme Zukunft
Im Silicon Valley diskutiert niemand mehr, ob KI kommt. Die Fragen lauten:
- Universal Basic Income oder Universal High Income?
- Wie organisieren wir Gesellschaft bei Massenarbeitslosigkeit?
- Welche Jobs entstehen überhaupt noch?
"Wir verlieren mehr Jobs, als neu entstehen. Diese industrielle Revolution ist anders als die vorherigen", warnt Schmedding.
In 5 bis 10 Jahren wird die Welt fundamental anders aussehen:
- Wirtschaftssystem auf dem Kopf
- Massenarbeitslosigkeit in Wissensberufen
- Grundlegende Gesellschaftsfragen ungeklärt
Handlungsempfehlungen für deutsche Unternehmen
Sofort-Maßnahmen
- Call-Dokumentation automatisieren: Zoom-Integrationen mit automatischer Transkription und CRM-Anbindung
- Voice-AI im Recruiting testen: Einfacher Einstieg mit messbarem ROI
- Lernplattformen einführen: Notebook LM für alle Mitarbeiter zugänglich machen
- Zufriedenheitsumfragen automatisieren: Monatliche KI-gestützte Kundenbefragungen
Mittelfristige Strategie
- CRM-System überdenken: Evaluieren Sie AI-native Alternativen zu Salesforce und HubSpot
- Angebotserstellung automatisieren: Besonders bei komplexen B2B-Produkten enormes Potenzial
- Voice Agents im Service: Standard-Anfragen durch KI beantworten lassen
- Mitarbeiter schulen: Fokus auf Exzellenz in persönlichen Gesprächen
Langfristige Transformation
- Geschäftsmodell hinterfragen: Welche Ihrer Dienstleistungen bietet KI morgen kostenlos?
- Prozesse radikal vereinfachen: Alles, was ein Mensch macht, muss die KI besser rechtfertigen
- Kultur der kontinuierlichen Adaption: Schnelles Lernen wichtiger als bestehendes Wissen
Fazit: Der deutsche Mittelstand am Scheideweg
Die KI-Revolution findet statt - mit oder ohne deutsche Unternehmen. Während viele noch diskutieren, ob Datenschutz ein Problem darstellt, implementieren Wettbewerber bereits Voice Agents, automatisierte Workflows und KI-gestützte Vertriebsprozesse.
Leonard Schmedding formuliert es drastisch: "Wer jetzt nicht handelt, dessen Welt liegt in 5 bis 10 Jahren in Schutt und Asche."
Die gute Nachricht: Die Technologie ist verfügbar, erprobt und wirtschaftlich. Unternehmen wie Everlast AI zeigen, dass deutsche Mittelständler erfolgreiche KI-Implementierungen schaffen können - vom Maschinenbau bis zur Dienstleistung.
Die Frage ist nicht mehr, ob KI den Vertrieb verändert. Die Frage ist nur noch: Gehören Sie zu den Gewinnern oder Verlierern dieser Transformation?
Über Leonard Schmedding: Betreiber des größten deutschen YouTube-Kanals zu KI im Geschäftskontext mit über 182.000 Abonnenten. Als Inhaber von Everlast AI betreut er mit einem 30-köpfigen Team über 1.500 Kunden bei der KI-Implementierung. Durch enge Kontakte ins Silicon Valley erhält er Zugang zu neuesten Entwicklungen und interviewt regelmäßig Zukunftsforscher, Visionäre und Tech-Gründer.
Mehr erfahren: Das vollständige Interview ist verfügbar im Sales Podcast und auf dem YouTube-Kanal "How to Business" von Tobias Ain. Weitere KI-Insights und Praxisbeispiele finden Sie auf dem Everlast AI YouTube-Kanal.
Hinweis: Dieser Artikel basiert auf einem Interview vom Dezember 20245 KI-Entwicklungen schreiten rasant voran - einige hier beschriebene Zukunftsszenarien könnten bei Veröffentlichung bereits Realität sein.






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